Eyecatcher Für Jugendliche

17-jähriges Mädchen

Bald feiere ich meinen achtzehnten Geburtstag. Ich bin nach Datteln eingeladen worden. Da wurde ich zwölf. Die Ärztin hat uns erklärt, dass im Gehirn Schmerz eingespeichert wird. So hat man immer Schmerzerwartung und lebt ängstlich. Das hat mich sehr interessiert. 

Ich hatte von Geburt an starke Schmerzen. 

Nun sollte ich auf einer Smily-Motzy-Skala zeigen, wie stark meine Wunden weh tun. Ich kann ja nicht sprechen, weil ich gehörlos bin. 

Für mich waren Schmerzen von klein auf normal, auch die besonders schlimmen beim Lösen der Verbände von offenen Wunden, beim Baden und Neu-Verbinden. Gewohnt, aber höllisch! 

Jeden Abend kam schwarze Angst, auch bei meinen Eltern und Geschwistern. Denn jeden Tag muss mein Ganzkörperverband neu gemacht werden, das ganze Leben lang. Besonders über den Rücken gehen die großen, offenen, blutenden Wunden. Wenn sie entzündet sind oder heilen wollen, jucken sie fürchterlich. Nur Kopf und Hände sind frei an der Luft.

Mein Papa wollte nie, dass andere Leute meine Wunden und Schmerzen sehen. Ich hatte nie Kinder zum Spielen und Quatsch machen. So habe ich mich jedes Mal gefreut, wenn jemand freundlich zu mir war. Da habe ich ihn fröhlich angeguckt. Die Schmerzen blieben immer heimlich bei mir. 

Ich habe gern nette modische Kleider an. Damit bedecke ich meine schrecklich schlimme Haut und verstecke die Wunden, die überall sind. Täglich kommen neue. Die EB-Krankheit wird schlimmer; an meinen Händen kann es jeder sehen. 

Einmal vor meinem zwölften Geburtstag ist die Ärztin aus Datteln nach Krefeld zu uns nach Haus gekommen und hat beim Baden und Verbinden zugeschaut. Dann wurde ich für zwei Wochen mit meiner Mama nach Datteln in die Kinder-Schmerz-Klinik eingeladen. Seitdem nehme ich Schmerzmittel für tagsüber und extra starke fürs Verbinden. 

Wie cool und geil das auf einmal war, wollte ich gern erzählen: So gut ging es mir! Weil mir die Worte und die Stimme fehlten, habe ich es gemalt. Meine Omi hilft mir gern erzählen, sie versteht meine Gebärden. Zu meinem Bild hat sie gesagt: ‚Ja, so schön wie Weihnachten!’: Denn ich habe einen Weihnachtsbaum gemalt mit ganz vielen goldenen Kugeln und ein Haus, dass aus allen Fugen, Fenstern und Türen, ja sogar vom Dach und aus dem Keller strahlt. 

Seitdem kann ich spielen, reisen, lernen, besuchen, um den See Fahrrad fahren, mit meinem jüngeren Bruder herumalbern, mit meiner großen Schwester streiten, meiner Mama helfen. Angst ist weg, fast keine kommt mehr; ich denke viel nach.

Als ich immer so viele starke Schmerzen hatte, habe ich meiner Familie oft Terror gemacht: Sie mussten alles tun, was ich wollte, damit ich zufrieden war. Das kann ich immer noch! Aber jetzt mach ich lieber andere Sachen, die schön für mich sind. Mein Papa hilft mir immer. Meine Mama kann gut verbinden. Meine Geschwister finden mich jetzt netter. Nun fühlt sich meine Haut nicht mehr so böse an, manchmal sogar gut. Ich mag es, wenn Omi mit feinem Fingerspiel über meinen Rücken dribbelt. Es ist wie Musik, die ich fühlen kann.

Meine Geschichte habe ich meiner Omi mit Gebärden diktiert. Schreiben kann ich selber, aber nicht so eine lange Geschichte. 

Liebe Grüße eure     

Edanur

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