Eyecatcher Für Jugendliche

20-jähriges Mädchen

Ich bin Svenja, 20 Jahre alt und war zwei Mal auf dem Leuchtturm in Datteln. 

Mir ist vor 7 Jahren ein Pferd beim Voltigieren auf den linken Fuß getreten. Danach bin ich lange mit Gehhilfen gelaufen, habe Schmerzmittel genommen und viele verschiedene Ärzte aufgesucht. Ich hatte starke Schmerzen, aber es wusste keiner woran es liegen könnte, geschweige denn, wie man mir helfen könnte. Schmerzen, die wahrscheinlich jeder Patient in Datteln nachvollziehen kann.

Ich bin über 2 Jahre zu vielen Ärzten gegangen, habe vieles ausprobiert. Akupunktur, Krankengymnastik, Schwimmen, TENS, Osteopathie, Lymphdrainage, eine Operation und vieles mehr. Dabei wurde ich immer gut von meiner Familie unterstützt. Ich musste keinen neuen Schritt im Verlauf alleine antreten. Jedoch gab es gleichermaßen viele Menschen, die mich nicht verstehen wollten, die meine Schmerzen nicht ernst genommen haben und gegen die ich trotzdem meinen Weg weiter gehen musste. Sätze wie "das bildest du dir ein", "stell dich nicht so an" waren an der Tagesordnung. Manchmal zweifelte ich selbst an mir.

Zwei Jahre nach dem Unfall hatte ich mein erstes Gespräch in Datteln. Aufregung, Angst, Zweifel, Fragen, Hoffnung begleiteten mich. Ein paar Wochen danach hatte ich dann einen Platz auf dem Leuchtturm bekommen. 

Ich weiß noch genau, wie schrecklich meine ersten Wochen da waren. Neue Menschen, viele neue Regeln, viel, das man nicht verstanden hat und dazu ein straffer Plan voller starker Schmerzen. Jeder Versuch aufzutreten, jede Berührung, jede Bewegung taten weh.

Warum soll ich das durchziehen? Die helfen mir eh nicht! Warum soll ich das schon wieder machen? Hilft doch nicht! Die verstehen niemals wie es mir geht!  Gedanken, die einen durch die ganzen ersten Wochen begleiten.

Ich wollte abbrechen. Doch im entscheidenden Gespräch haben die Psychologin, Frau Rohr und meine Bezugsperson Alex mich zusammen mit meiner Mutter vom Gegenteil überzeugt. Wir setzten einen Vertrag auf, in dem ich versicherte, alles zu versuchen und mitzumachen, damit ich, wenn ich entlassen werde, mit einem normalen Schuh von der Station gehen kann.

Für mich ein vollkommen unerreichbares Ziel.

ln meinen ersten zwei Monaten in Datteln habe ich viel gelernt. Mit Stufenplan, Krankengymnastik, Gesprächen, Ablenkung und vielen anderen Aufgaben ist es Schritt für Schritt weiter gegangen. Speziell der Stufenplan gehörte zu meinem täglichen Programm. Jedes Mal wieder eine Überwindung. Tränen, Schmerzen immer dabei.

Aber ich hatte mein Ziel vor Augen. Vor meinem Unfall habe ich viel Standard getanzt. Es war immer wieder traurig für mich, dies nicht mehr zu können. Aber genau das wollte ich wieder - tanzen!

Ich habe in Datteln viele unglaubliche Menschen kennengelernt, die mich in jedem Punkt unterstützt haben, mir meine eigene Stärke gezeigt haben, viel mit mir gelacht haben, mich abgelenkt haben und mir viel Kraft gegeben haben. Ich habe in der Zeit dort eine meiner besten Freundinnen kennengelernt. Meine Familie hat viel Zeit und Mühe investiert, mir die Zeit dort so angenehm wie möglich zu machen. Tägliche Post, Fotos, Besuche, Ausflüge und Ähnliches halfen mir, trotzdem Spaß zu haben und an andere Sachen zu denken.

Manchmal ging die Therapie einfach wie nebenbei. Erste Tanzschritte mit der Zimmernachbarin, Ablenkungsspaziergang mit meinem Hund am Kanal, lange Gespräche mit einer Mitpatientin in der Eisdiele, Überraschungsbesuch von Freunden. Viel Stärke haben mir auch Termine wie die Selbstverteidigung gegeben. Mit dem Gefühl "ach, kann ich ja eh nicht machen" bin ich dahin und mit einem Strahlen im Gesicht, weil ich mitmachen konnte, ging ich raus.

Sogar den schlimmsten Moment des ganzen Aufenthalts kann ich jetzt als positiv bewerten. Die Stationsleitung kam morgens  zu mir und hat mir einfach die Gehhilfe weggenommen. Ich musste zusehen, wie ich dann zur Toilette, zum Essen oder zur Gesprächstherapie komme. Ich habe in dem Moment, glaube ich, alles verflucht. Doch genau das hat mir geholfen, dass ich letztendlich ohne  Gehhilfe von der Station gegangen bin.

Nach dem zweiten Aufenthalt war ich ohne Gehhilfen und ohne Schmerztabletten. Heute, 5 Jahre danach, tanze ich wieder.

Ich habe mir irgendwann in den Kopf gesetzt, dass ich mein Leben bestimme, nicht der Schmerz. An dem Punkt habe ich verstanden, dass die Menschen in Datteln wirklich eine Unterstützung sind. Wenn man sich überwindet, kann man dort viel schaffen!

Wenn ich tanzen will, tanze ich. Wenn ich hohe Schuhe tragen will, mach ich das. Wenn ich spazieren gehen will, nehme ich mir meinen Hund und geh los. Wenn ich schwimmen will, mach ich das.

Und das tut gut! Ich will mein Leben normal leben, nicht mit Grenzen. Vor Datteln musste ich vieles ausfallen lassen, oft Freunden absagen, doch genau das muss ich heute nicht mehr! Heute merkt oder sieht man mir nicht mehr an, dass ich Schmerzen habe. Ich werde von anderen nicht mehr auf die Schmerzen reduziert und beurteilt. Niemand stellt mehr in Frage, was ich machen kann oder ob ich Schmerzen habe.

Noch heute fahre ich einmal im Jahr nach Datteln, um Menschen zu besuchen, die ich da schätzen gelernt habe und um mir selbst vor Augen zu führen, was ich geschafft habe. Was jeder da schaffen kann!

Ich würde  jedem, der auf dem Leuchtturm angekommen ist, raten, das durchzuziehen. Hab ein Ziel vor Augen, hab trotzdem Spaß, schätze die Menschen, die für dich da sind und mach das aus deinem leben, was du willst!

Seit der Zeit in Datteln habe ich noch viel üben müssen, aber heute kann ich gut damit leben. Ich studiere jetzt Erziehungs- und Sozialwissenschaften (wofür ich in Datteln motiviert wurde!), lebe ohne Gehhilfen und Schmerztabletten und kann die Zeit in Datteln durchaus als positiv bewerten.

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