Eyecatcher Für Jugendliche

21-jähriges Mädchen

Wie alt bist du?

Ich bin 21Jahre alt, das erste Mal war ich mit 17 in Datteln, das zweite Mal ein halbes Jahr später. Mit 16 Jahren bin ich an einer somatoformen Schmerzstörung erkrankt.

Wo hattest du Schmerzen?

Im Bereich der Lendenwirbelsäule und im Brustwirbelsäulenbereich.

Was hast du alles ausprobiert?

Bevor ich nach Datteln kam, hatte ich mehrere Krankenhausaufenthalte hinter mir, viel Physiotherapie, Fango-Packungen, meine Wirbel wurden wieder eingeränkt, ich erhielt ein Tens-Gerät und Massagen zur Muskelentspannung, ich bin zum Psychologen gegangen. Während ich in der Kinder- und Jugendklinik Datteln war, habe ich unter anderem auch viele Möglichkeiten/Methoden erlernt, um mich abzulenken. Diese haben mir während meines Aufenthalts und in meiner Freizeit sehr geholfen.

Wie haben andere auf deine Schmerzen reagiert?

Mein Nachteil war es, dass meine Schmerzen bzw. die Schmerzursache nicht greifbar waren. Daher fand ich nicht nur in der Schule keine Unterstützung oder Akzeptanz, mir wurde auch von vielen Lehrern Unterstützung und Hilfe verweigert. Oft wurde hinter meinem Rücken geredet und Lehrer, die mich unterstützen wollten, bekamen böse Blicke von den anderen. Selbst Gespräche mit dem ganzen Lehrerkollegium halfen nicht. Meine Familie und ich wurden als Lügner dargestellt. 

Viele meiner Freunde wandten sich von mir ab, da sie es nicht verstehen konnten.

Die Beziehung zu meinem Papa hat sich verbessert, er rief mich oft an, wenn er irgendwo im Stau steckte und fragte wie es mir geht. Die Beziehung zu meiner Mama hingegen hat sich nach Datteln verschlechtert. Sie erlebte ja jeden Tag mit wie es mir ging und versuchte, es zu unterdrücken und nichtig zu reden sowie zu ignorieren, was mich wiederum sehr verletzte, da ich so schon nicht oft darüber sprach, wie es mir ging. Seitdem es mir besser geht, nähern wir beide uns wieder an.

Wie hast du die Zeit in Datteln sowie die Zeit nach der Schmerztherapie erlebt?

Die Zeit in Datteln war toll. Ich habe vieles gelernt, auch vieles, was ich erst später richtig verstehen und anwenden konnte. Alle auf der Station haben mir Halt und Kraft gegeben, zu einigen der Mädchen habe ich immer noch Kontakt.

Als ich wieder nach Hause kam, haben sich alle sehr gefreut. Über einige Wochen klappte auch alles super. Lediglich als der scharfe Schulalltag nach den großen Sommerferien wiederkam und ich die Reaktionen der anderen auf mich spüren konnte, wurde alles wieder schlimmer. Wie schon gesagt, auf Unterstützung und Hilfe von der Schule konnte ich nicht hoffen. Ich wurde dank guter Noten und trotz halbjährigem Fehlen in die 12.Klasse versetzt, das war aber soweit auch das einzige Entgegenkommen. Meine Ablenkungsmethoden durchzuführen oder Möglichkeiten, den Unterrichtsraum auf Zeit zu verlassen, gab es selten, das erschwerte den Schulalltag und führte letztendlich dazu, dass ich wieder krankgeschrieben wurde. So braute sich der Unmut auf meiner Seite sowie der auf Schulseite immer mehr auf. Oft wünschte ich mir, zurück nach Datteln zu können und vermisste die Zeit dort.

Hast du deine Schmerzen in den Griff bekommen und wenn ja wie?

Ein halbes Jahr nach meinem ersten Aufenthalt war ich nochmals in Datteln. Aber auch danach nochmal lange krankgeschrieben. Nebenbei habe ich sozusagen mir den Schulstoff selbst beigebracht und die Klausuren geschrieben. Dennoch entschied ich mich letzten Endes, die 12.Klasse zu wiederholen und mich nicht in die 13. Klasse versetzen zu lassen.

Mein Wiederholungsjahr erlebte ich auch nur zur Hälfte, den letzten Teil verbrachte ich wieder Daheim im Selbststudium. Ich wurde in die 13. Klasse versetzt, schrieb während der Sommerferien und Anfang der 13. alle Klausuren aus dem zweiten Halbjahr der zwölften Klasse nach. 

Da sich aber leider wenig verbessert hatte, beschloss ich auf Empfehlung des Arztes, die dreizehnte Klasse abzubrechen und für einige Wochen zur Kur zu fahren. Diese sollte ein halbes Jahr später genau in die Abiprüfungszeit fallen. Also, "Pro Gesundheit!", brach ich das Abitur ab und begann im November 2010 ein einjähriges Praktikum, um dem Fachhochschul-Abschluss zu erlangen. Leider konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, dass ich die Kur nicht genehmigt bekommen würde und mein Abitur sozusagen umsonst abgebrochen habe. 

Umso mehr ich mich von der Schule entfernt habe, umso bewusster wurde mir, dass ich meine Krankheit im Griff hatte, einzig die Umgebung mich zurückfallen ließ und mich Reaktionen, Ignoranz und Missverstehen krank bleiben ließen.

Was hat dir geholfen? 

Heute habe ich die Kraft, um zu sagen, der Schulabbruch war das Beste, was ich für mich und meine Gesundheit machen konnte. Zusätzlich haben mich regelmäßige Physiotherapie und meine Psychologin unterstützt. Ich habe neue Freunde gefunden, die mich mit meiner Krankheit akzeptiert haben, alte Freunde endlich hinter mir gelassen, die mir während dieser schweren Zeit nicht beistanden.

Ich habe gelernt, mehr auf mich zu achten und alles, was mir nicht gut tut sein zu lassen, niemandem nachzulaufen, mir treu zu bleiben und mich toll zu finden. Ich bin eine tolle starke Frau geworden und ich bin stolz auf mich. Und an jedem schweren Tag sage ich mir das. 

Was ist aus dir geworden? Was hast du seitdem erreicht?

Nach meinem einjährigen Praktikum für das Fachabitur habe ich weitere Praktika gemacht. Ich wusste nie, ob ich später etwas machen möchte, was mich interessiert oder etwas, was ich schon kann?! Also habe ich mich auch kreuz und quer beworben, aber dennoch irgendwie Berufe vermieden, wo ich Absagen hätte einstecken können, da ich diese unbedingt vermeiden wollte. 

Komischerweise kam es dann so, dass ich angesprochen wurde, an einem Ort, wo ich schon als kleines Mädchen von geträumt habe, einmal arbeiten zu wollen - in meiner Bank. Und dort habe ich im Sommer '12 begonnen, aktuell Auszubildende im 1. Lehrjahr und mächtig stolz - ich werde Banker.

Nach viel Ablehnung und Enttäuschung habe ich endlich meinen Weg wiedergefunden. Ich bin stark geworden, habe mich selbst gefunden, vieles hinter mir gelassen und vieles neues gefunden. 

Ich bin vor kurzem mit meinem Freund zusammengezogen, wir haben jetzt eine tolle, schicke Wohnung, ganz nach meinem Geschmack eingerichtet. Ich fühle mich hier wohl und bin sehr glücklich.

Ich hoffe sehr, dass es den anderen, die ich in Datteln kennengelernt habe, ähnlich ergeht und sie auch stolz auf sich sein können.

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